Ursache der Zöliakie ist eine durch das Immunsystem vermittelte Systemerkrankung, die bei genetisch anfälligen Personen Unverträglichkeit-reaktionen gegen das in Weizen, Roggen, Dinkel und Gerste vorkommende Klebereiweiß Gluten hervorruft. Bestandteil des Glutens ist Gliadin, ein Prolamin; Prolamine sind spezifische Getreideeiweiße mit einem hohen Anteil an den Aminosäuren Prolin und Glutaminsäure. Das im Endomysium, fibrillären Strukturen auf glatten Muskelfasern der Darmschleimhaut, lokalisierte Enzym Gewebe-Transglutaminase (tTG) modifiziert die Gliadinpeptide, die dann eine lokale Immunreaktion mit Aktivierung intestinaler T-Zellen und Antikörperbildung verursachen. Umweltfaktoren wie Pilzinfektionen oder Alkoholkonsum können im Erwachsenenalter eine erhöhte Aktivität der tTG bewirken und somit die Entstehung der Zöliakie fördern.
Gastrointestinale Symptome, aber auch extraintestinale Krankheitserscheinungen (z. B. die Dermatitis herpetiformis Duhring) können durch eine Zöliakie verursacht werden.
Formen: Die neue Leitlinie der ESPGHAN (European Society of Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition) differenziert im diagnostischen Vorgehen zwischen erkrankten Patienten und solchen mit einem erhöhten Risiko für Zöliakie; sie unterscheidet klassische, atypische, asymptomatische, refraktäre und frühe Formen. Die klassischen intestinalen Symptome der Zöliakie bestehen in Durchfällen, Gewichtsverlust und Malabsorptionsstörungen, treten bevorzugt im Säuglings- oder Kleinkindalter (erstes bis fünftes Lebensjahr) auf, oft verbunden mit Gedeihstörungen, Wachstumsverzögerungen und endokrinen Störungen. Dieser Verlaufstyp tritt überwiegend im Kindes- und Jugendalter auf.
Symptome: Bei etwa 40% der erwachsenen Betroffenen fehlen gastrointestinale Symptome vollständig und man spricht von einer atypischen Zöliakie mit oligo- oder monosymptomatischem Verlauf. Zu den häufigsten extraintestinalen Symptomen zählen Osteoporose, chronische Transaminasenerhöhung, Arthritis, psychiatrische Auffälligkeiten und eine Eisenmangelanämie. Erytheme, Plaques und herpetiformen Bläschen der Dermatitis herpetiformis Duhring treten bei etwa 5 bis 10 % aller Zöliakiepatienten auf. Von einer asymptomatischen oder stummen Zöliakie spricht man bei positiven Antikörperbefunden, den typischen HLA-Befunden (s. auch Diagnose) oder charakteristischen Befunden in der Dünndarmbiopsie ohne Auftreten von Krankheitssymptomen. Auch bei der latenten Verlaufsform der Zöliakie finden sich zum Zeitpunkt der Untersuchung nahezu symptomfreie Patienten. Anders als bei dem asymptomatischen Verlauf der Zöliakie haben diese Patienten in der Vergangenheit typische intestinale Symptome einer Zöliakie gezeigt, die sich jedoch auch unbehandelt zurückgebildet haben. Therapierefraktäre Verlaufsformen der Zöliakie finden sich insbesondere beim klassischen und atypischen Verlauf der Zöliakie, wenn bei posi-tiver Serologie und charakteristischer Histologie kein erkennbares Ansprechen der Erkrankung auf glutenfreie Kost erreicht werden kann.
Als eine frühe, seronegative Verlaufsform werden solche Varianten bezeichnet, bei denen Patienten eine typische Klinik einer Zöliakie aufwei-sen und auch schnell auf die glutenfreie Diät an-prechen. Der Krankheitsprozess hat erst kurzfristig eingesetzt, sodass bei dieser Verlaufsform Antikörper noch nicht gebildet wurden. Die Patienten weisen die typischen HLA-Merkmale auf.
Diagnose:Die Diagnose der Zöliakie erfolgt neben der Klinik und ggf. der Endoskopie labordiagnostisch durch eine Kombination aus:
- Nachweis Zöliakie-spezifischer Antikörper: Autoantikörper gegen Gewebstransglutaminase (tTG), bzw. endomysiale Antigene (EMA) sowie Antikörper gegen Gliadin analoge Fusionspeptide (GAF)
- Nachweis typischer HLA-DQ-Risikoallele ( HLA-DQ2- oder -DQ8)
- Ausschluss selektiver IgA-Mangel durch Bestimmung des Gesamt-IgA
Die Bestimmung der Antikörper gegen tTG sowie gegen deamidiertes Gliadin (GAF) erfolgt als Enzymimmunoassay, der gegen Endomysium als IFT, jeweils mit Differenzierung zwischen IgG und IgA. Die höchste Krankheitsspezifität haben Antikörper des IgA-Isotyps. Ein negatives Ergebnis der tTG-IgA-Bestimmung ist nur bei normal hohen Gesamt-IgA-Konzentrationen relevant.
Laboruntersuchungen: folgende Tests werden in unserem Laboratorium durchgeführt:
- Antikörper gegen Gewebstransglutaminase Typ 2 tTG-IgA (EIA): Test der ersten Wahl, diagnostischer Suchtest bei Patienten ohne IgA-Mangel
- Antikörper gegen deamidierte Gliadin-Peptide (Gliadin analoge Fusionspeptide) IgG und IgA (EIA): zusätzliche Verbesserung der Sensitivität insbesondere bei Patienten mit IgA-Mangel
- Antikörper gegen Endomysium (EMA)-IgA (IFT): nur als Bestätigungstest bei 10-fach erhöhtem tTG-IgA; zusammen mit positiver HLA-Serologie Diagnosesicherung auch ohne Dünndarmbiopsie (s. u.), spezielle Anforderung notwendig
- Antikörper gegen Gewebstransglutaminase Typ 2 tTG-IgG (EIA): zusätzlich bei Patienten mit IgA-Mangel und negativem tTG-IgA, spezielle Anforderung notwendig
- HLA Typisierung (HLA-DQ2- oder -DQ8-positiv) Personen, die diese Risikoallele nicht tragen, leiden höchst-wahrscheinlich nicht an Zöliakie („Ausschlussdiagnostik“). Da auch ca. 30 % aller Gesunden diese Merkmale tragen, ist die HLA-Typisierung erst nach dem positven Antikörpernachweis zur Bestätigung der Verdachtsdiagnose „Zöliakie“ geeignet. Die HLA-Genotypisierung kann unabhängig vom Entzündungszustand erfolgen.
Vor der Untersuchung auf zöliakiespezifische Antikörper sollte der Patient glutenhaltige Lebensmittel zu sich nehmen, da sonst bei „Antigenkarenz“ falsch negative Befunde auftreten können. Ein selektiver IgA-Mangel kann durch Bestimmung des Gesamt-IgA ausgeschlossen werden.
Gemäß den Leitlinien der ESPGHAN kann bei einer Symptomatik mit gastrointestinaler Manifestation und sehr hohen zöliakiesspezifischen Antikörpertitern die Diagnose einer Zöliakie ohne Durchführung einer Biopsie gestellt werden.
Dies beinhaltet im Einzelnen:
• tTG2-IgA-Titer mindestens das 10-fache des oberen Grenzwerts zum normalen (>200 RE/ml),
• Bestätigung der Seropositivität durch Bestimmung von EMA-IgA in einer 2. Blutprobe,
• HLA-DQ2 und/oder -DQ8 positiv, ebenfalls aus der 2. Blutprobe,
• Klassische gastrointestinale Symptome mit chronischer Diarrhö, Steatorrhö sowie Gedeihstörungen
Therapie: Therapeutisch ist eine konsequente, lebenslang glutenfreie Diät einzuhalten; alle Lebensmittel mit Anteilen aus Weizen, Roggen, Dinkel und Gerste sind untersagt. Erlaubt sind Reis, Hirse, Mais, Hafer oder Buchweizen, wenn die entsprechenden Produkte nicht mit Weizen, Roggen, Gerste o. ä. verunreinigt wurden. Unter glutenfreier Kost regeneriert die Dünndarmschleimhaut vollständig, klinische Symptome sowie zöliakiespezifische Antikörper können sich bessern bzw. vollständig zurückbilden.